Die Haltungsbedingungen haben vielfältige Folgen für die Schweine. Sie beeinflussen ihre Gesundheit, Emotionen und ihr Verhalten.
Das Wohlergehen von Schweinen wird direkt durch ihre Umgebung beeinflusst. In der sogenannten Nutztierhaltung werden die Lebensumstände der Tiere durch Menschen bestimmt und sind an die Nutzungsziele angepasst. Die Zucht, Haltung und der Umgang mit den Tieren hat weitreichende Auswirkungen auf alle Bereiche ihres Daseins.
Um dies besser zu veranschaulichen unterteilt der Tierschutz-Wissenschaftler David Fraser (1) drei Dimensionen von tierlichem Wohlergehen: Gesundheit, Verhalten und Emotionen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wohlergehen der Tiere, im Englischen “animal welfare”, kein rein messbares Konzept ist. Zwar können mithilfe einiger messbarer Parametern, wie der Höhe von Stresshormonen, Rückschlüsse auf das Wohlergehen gezogen werden. Dennoch hängt die Bewertung der Lebensqualität, also ob etwas gut oder schlecht für ein Tier ist, von den Werten der betrachtenden Person ab. Tierschützer_innen bewerten Situationen anders als Tierärzt_innen in landwirtschaftlichen Betrieben. Laut Fraser ist es daher wichtig, dass das Forschungsfeld der „animal welfare“ nicht versucht, messbare Werte festzulegen, sondern stattdessen Faktoren, die dem Wohlergehen der Tiere schaden, identifiziert, löst und vorbeugt (2).
Im folgenden werden die drei Dimensionen des Wohlergehens von Schweinen unter den Lebensbedingungen der landwirtschaftlichen Nutzung beleuchtet.
(1) Fraser, D. (2008). Understanding animal welfare. Acta Veterinaria Scandinavica, 50(1), 1-7.
(2) Fraser, D. (1995). Science, values and animal welfare: exploring the ‘inextricable connection’. Animal welfare, 4(2), 103-117.
Die mangelhaften Haltungsbedingungen und hohen Leistungsanforderungen an die Schweine haben für sie gesundheitliche Konsequenzen.
Typisch in der Mast sind Magengeschwüre, die eine Folge der Nahrungsdarreichung und -zusammensetzung sind (3). Das Stehen und Liegen auf harten Böden und die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten führen bei den Tieren zu schmerzhaften Klauenverletzungen und Hautschäden (4), (5). Die Schadgasemissionen im Stall haben Atemwegserkrankungen zur Folge (6).
Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Spaltenböden im Liegebereich auf Schweine finden Sie in unserer Stellungnahme.
Häufige Geburten und große Würfe haben bei den Sauen negative Auswirkungen auf den Genitaltrakt und die Zitzen (7), (8). Die lang anhaltende und wiederholte Fixierung in den Kastenständen schadet dem Bewegungsapparat der Tiere (9). Viele Sauen leiden an Schulterverletzungen, weil sie permanent auf dem harten Boden liegen müssen (10).
(3) European Food Safety Authority (EFSA). (2007). Opinion of the Scientific Panel on Animal Health and Welfare on a request from the Commission related to animal health and welfare in fattening pigs in relation to housing and husbandry. EFSA Journal, 5(10), 564.
(4) Calderón Díaz, J. A., Fahey, A. G., & Boyle, L. A. (2014). Effects of gestation housing system and floor type during lactation on locomotory ability; body, limb, and claw lesions; and lying-down behavior of lactating sows. Journal of animal science, 92(4), 1675-1685.
(5) European Food Safety Authority (EFSA). (2007). Animal health and welfare aspects of different housing and husbandry systems for adult breeding boars, pregnant, farrowing sows and unweaned piglets‐Scientific Opinion of the Panel on Animal Health and Welfare. EFSA Journal, 5(10), 572.
(6) Bachmann, K., Köppler, J., Vergara, H., Frosch, W., & Zucker, B. A. (2008). Stallklima-Tiergesundheit-Wechselwirkungen zwischen Stallklima und Tiergesundheit. Schriftenreihe der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Heft 7/2007.
(7) Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). (2010). Auf dem Weg zur optimalen Abferkelbucht: Verletzungen am Gesäuge verringern!
(8) Milligan, B. N., Fraser, D., & Kramer, D. L. (2001). Birth weight variation in the domestic pig: effects on offspring survival, weight gain and suckling behaviour. Applied Animal Behaviour Science, 73(3), 179-191.
(9) Scientific Veterinary Committee (SVC). (1997). The welfare of intensively kept pigs. European Commission, Brussels.
(10) Ekesbo, I., & Gunnarsson, S. (2018). Farm animal behaviour: characteristics for assessment of health and welfare. CABI.
Schweine leben unter naturnahen Bedingungen in familiären Gruppen aus Sauen und deren Nachwuchs. Eber verbringen ihr Leben je nach Jahreszeit und Alter allein oder in Gruppen mit anderen Ebern. Zwischendurch stoßen sie zu den Sauen dazu. Kämpfe sind in den stabilen Gemeinschaften eher selten. Die Tierschutzwissenschaftler Ekesbo und Gunnersson (11) stellen fest, dass Schweine trotz intensivierter Haltung und Zucht ein sehr individuelles Verhalten zeigen und reagieren in verschiedenen Situationen unterschiedlich.
Vor allem Sozialkontakte sind für Schweine sehr wichtig. Viele ihrer Verhaltensweisen zeigen sie synchronisiert, wie gemeinsames Ruhen und die Nahrungssuche, die etwa sieben Stunden pro Tag einnimmt (12), (13). Das in der Tierhaltung eingesetzte und teils rationierte Angebot von Nahrung befriedigt diese Bedürfnisse in keinem Fall. Da sie die Nahrung nicht selbst suchen können und die Buchten fast völlig unstrukturiert sind, fehlt es den neugierigen Tieren an Beschäftigung (14).
In Wäldern und offenen Feldern, in denen Schweine normalerweise leben, nutzen sie verschiedene Bereiche für Ausscheidungen, zum Liegen und Ruhen und für aktives Verhalten. Die kleinen Buchten ermöglichen diese Trennung nicht (15), (16).
Neben der völligen Bewegungseinschränkung der Sauen in den Kastenständen, können sie kein Nest bauen, wie sie es unter naturnahen Bedingungen tun würden. (17) Außerdem haben sie keinen uneingeschränkten Kontakt zu ihrem Nachwuchs (18).
(11) Ekesbo, I., & Gunnarsson, S. (2018). Farm animal behaviour: characteristics for assessment of health and welfare. CABI.
(12) Ekesbo, I., & Gunnarsson, S. (2018). Farm animal behaviour: characteristics for assessment of health and welfare. CABI.
(13) Richter, T. (2006). Krankheitsursache Haltung: Beurteilung von Nutztierställen-Ein tierärztlicher Leitfaden. Georg Thieme Verlag.
(14) European Food Safety Authority (EFSA). (2007). Animal health and welfare aspects of different housing and husbandry systems for adult breeding boars, pregnant, farrowing sows and unweaned piglets‐Scientific Opinion of the Panel on Animal Health and Welfare. EFSA Journal, 5(10), 572.
(15) Ekesbo, I., & Gunnarsson, S. (2018). Farm animal behaviour: characteristics for assessment of health and welfare. CABI.
(16) Fraser, D., Duncan, I. J., Edwards, S. A., Grandin, T., Gregory, N. G., Guyonnet, V., ... & Mench, J. A. (2013). General principles for the welfare of animals in production systems: the underlying science and its application. The Veterinary Journal, 198(1), 19-27.
(17) Baxter, E. M., Lawrence, A. B., & Edwards, S. A. (2011). Alternative farrowing systems: design criteria for farrowing systems based on the biological needs of sows and piglets. Animal, 5(4), 580-600.
(18) Portele, K., Scheck, K., Siegmann, S., Feitsch, R., Maschat, K., Rault, J. L., & Camerlink, I. (2019). Sow-Piglet Nose Contacts in Free-Farrowing Pens. Animals, 9(8), 513.
Die Haltungsbedingungen unterdrücken arteigene Verhaltensweisen und können zu anhaltenden negativen Emotionen bei den Tieren führen. Die daraus resultierende Überforderung mit der Umwelt kann dazu beitragen, dass sie Verhaltensstörungen (Stereotypien) entwickeln (19). Es kann beispielsweise vorkommen, dass Ferkel die Bauchseite anderer Artgenoss_innen besaugen. Schweine in der Mast zeigen stereotypes Schwanzbeißen und erhöhtes agonistisches, also kämpferisches Verhalten (20). Die Sauen leiden besonders unter der Kastenstandhaltung und zeigen häufig Stangenbeißen und Leerkauen (21).
Dass die Stallausstattung direkten Einfluss auf die Tiere hat, konnte in einer Studie mit Sauen nachgewiesen werden. Die Sauen wurden darauf trainiert, entweder Nahrung oder ein kurzes Erschrecken zu erwarten, wenn sie sich einer Öffnung näherten. Tiere aus angereicherten Buchten mit Beschäftigungsmaterial und mehr Platz näherten sich anschließend in den Versuchen schneller und reagierten somit optimistisch im Gegensatz zu Tieren aus kargen Buchten (22).
(19) Appleby, M. C., Olsson, A. S., & Galindo, F. (Eds.). (2018). Animal welfare. Cabi.
(20) European Food Safety Authority (EFSA). (2007). Animal health and welfare aspects of different housing and husbandry systems for adult breeding boars, pregnant, farrowing sows and unweaned piglets‐Scientific Opinion of the Panel on Animal Health and Welfare. EFSA Journal, 5(10), 572.
(21) große Beilage, E. (2020). Literaturübersicht zur Unterbringung von Sauen während Geburtsvorbereitung, Geburt und Säugezeit.
(22) Douglas, C., Bateson, M., Walsh, C., Bédué, A., & Edwards, S. A. (2012). Environmental enrichment induces optimistic cognitive biases in pigs. Applied Animal Behaviour Science, 139(1-2), 65-73.
Die genannten Beispiele verdeutlichen den Einfluss der Haltungsbedingungen auf die Gesundheit, Emotionen und das Verhalten der Tiere. Ihr Leben wird davon direkt beeinträchtigt. In der Tierschutzarbeit ist es daher wichtig, alle Dimensionen gleichwertig zu berücksichtigen und zu beleuchten.
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